Mein lieber Freund…

Nach längerer Zeit hatten wir endlich wieder mal einen Termin gefunden, der uns beiden passte und wir uns treffen konnten.
Ich freute mich auf einen Abend des Austauschens – bei Pasta, italienischem Wein, wollten wir einander teilhaben lassen am Leben, den Freuden und täglichen Herausforderungen. 

Beim Apéro streiften wir, wie schon einige Male in der kürzeren Vergangenheit, das Corona-Thema. Wie zuvor, waren wir uns natürlich völlig uneins.
Nun das finde ich nicht tragisch, denn mir geht es um einen angeregten Austausch und das konnten wir echt gut. Wir waren unterschiedlichster Meinungen und Ansichten, wir konnten ‚streiten‘, austeilen und einstecken. Egal, am Schluss feierten wir unsere Freundschaft und konnten den Anderen stehen lassen. 

Dieses Mal sollte es komplett anders verlaufen und enden, leider! 

Du hast mir ständig vorgeworfen, mit meiner Argumentation würde ich die gesamte, geballte und faktenbasierte Wissenschaft, der Unfähigkeit bezichtigen, so tun als würde ich die alleinige Weisheit besitzen und ich im Unrecht wäre.
Auf meine Frage, was Du zu den Argumenten und Maßnahmen, die mittlerweile fast alle widerlegt, als glatte Lüge, oder als komplett widersinnig und sinnlos, entlarvt worden seien, denkst, kam erneut nur der Vorwurf, ich wüsste alles besser.
Deine Verweigerung hinzuschauen und sich diesem Umstand zu stellen, ist für mich sehr schwierig zu ertragen.
Als Du dann noch gesagt hast die Zertifikatspflicht und somit der Ausschluss der Ungeimpften, hättest Du toll gefunden, war die Zeit gekommen das Thema zu wechseln. 

Es dauerte nicht lange, schon standen wir vor der nächsten Herausforderung: Klimawandel.
Auch hier argumentierte ich natürlich mit alternativen Fakten, die Dir ganz und gar nicht passten.
Gleiches Bild, ich würde mich über die erdrückende Faktenlage der fast gesamten klimatologischen Weltelite erheben und täte, als wüsste ich es auch hier besser.
Keine Fragen Deinerseits, nur Unterstellungen an mich und ständig Du-Botschaften – ausgerechnet von einem studierten Psychologen!
Schließlich entbrannte eine Debatte über die Abstimmung im Juni zu diesem Thema und Du sagtest, Du würdest ein JA in die Urne werfen.
Worauf ich wissen wollte, ob Du den Gesetzestext gelesen hättest und wüsstest, was für ein Instrumentarium wir den Politikern in die Hand geben würden, war die Antwort: „Nein, habe ich nicht gelesen!“
Das fand ich schwach und ich nannte Dich einen Idioten, wenn Du, ohne den Gesetzestext gelesen zu haben, stimmen gehen würdest.
Nun, für den Idioten entschuldige ich mich!
Überhaupt würden solche Gesetze nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht würden, meintest Du abschließend.
Tja, da bin ich, nach den vergangenen drei Jahren, ganz anderer Ansicht. 

Zu guter Letzt sollte der Ukraine-Krieg das Fass zum Überlaufen bringen.
Ich sei für den Frieden und wir sollten sofort die Waffenlieferungen stoppen, eröffnete ich den Diskurs. Das war nun des Guten zu viel für Dich.
Bereits hattest Du Dich erhoben und signalisiert, dass Du es nicht mehr länger aushalten würdest und Dich nicht länger mit einem ‚Putin-Versteher’ unterhalten wolltest.
„Hey, Adrian, da sterben Leute, da fliesst echtes Blut!“, war Dein hitzig geäußertes Argument.
Wir müssten diesem Massenmörder ‚Hitler-Putin‘ die Stirn bieten, den armen Ukrainern helfen und es sei unser Recht, das zu tun.
Meine anschließende Frage, ob nach Deiner Begründung die Waffenlieferungen das Sterben beenden würden, wolltest Du nicht mehr beantworten.
Mein lieber Freund, ich frage ich mich seit wann, wir wieder für die Gerechtigkeit in den Krieg ziehen sollten? Hatten wir das nicht schon alles mal gehabt? Haben wir jetzt aus der Geschichte wirklich nichts gelernt?
Du hast Dich entrüstet, nach Luft schnappend, erhoben, den Kopf geschüttelt, Deine Hände verworfen, hast Deine Jacke angezogen und bist gegangen.

Mein lieber Freund, für einen angeregten Austausch, Rede, Gegenrede, braucht es die Bereitschaft sich auf das Gegenüber einzulassen, sich für die Argumente des Andersdenkenden zu interessieren und die Differenz‚ der ‘Freundschaft willen‘ auszuhalten. 

Für Dein moralinverseuchtes, überhebliches Gutmenschen-Gehabe, das Du mir entgegengebracht hast, brauche ich keinen persönlichen Austausch mehr. Denn ich kann das alles, sofern ich will, tagein, tagaus, in den Tageszeitungen lesen, im Radio hören und im TV sehen, sprich in den propagandistischen Mainstream-Medien konsumieren.
Aber mich mit Dir, mein lieber Freund, zu unterhalten, mich für Dich zu interessieren, mich von Deinen, anders gelagerten Ansichten und Meinungen, herausfordern zu lassen, dafür lohnt es sich allemal, sich zu treffen, sich zu exponieren und letztendlich zu akzeptieren, dass es noch andere Sichtweisen auf unsere Welt gibt, als nur die Meine!

Das alles vermisste ich schmerzlich. 

Echt schade, dass wir es nicht geschafft haben, wie früher, trotz unterschiedlichen Meinungen und Ansichten, in Minne, auseinander zu gehen.

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